Theater Rayo | Programm

Der Glöckner von Notre Dame

EINE GROTESKE MIT PUPPEN FREI NACH VICTOR HUGO

„ ICH HAB MEIN LEBEN VOR MIR LIEGEN SEHEN, AUSGESCHÜTTET WIE EIN NACHTTOPF. ICH HABE DER ERDE UNTER DIE HAUT GESEHEN UND DIE WÜRMER, DIE AUF IHR FESTMAHL WARTEN“
Pierre Gringoire

Victor Hugos „Notre Dame de Paris“, zugleich Meisterwerk und Schauerdrama, ist ein überwältigender Aufriss des Menschen in seinen edelsten und niedrigsten Zügen. Der vermeintlich Edle fällt. Claude Frollo, der sittenstrenge Kirchenmann, sieht sich besessen, von Teufelshand gepackt, erotischen Obsessionen ausgeliefert. Er verfolgt das Zigeunermädchen Esmeralda mit maßloser Leidenschaft und Hass und stürzt das mittelalterliche Paris in ein homerisches Gemetzel. Der Niedrige hingegen, der abgrundtief hässliche Quasimodo, das Monster, das man im Bauch der Kathedrale versteckt, erweist sich als eine Kreatur von grenzenloser Einsamkeit, Herzensgüte, aufopfernder Liebe. Und durch alle Intrigen und Schlachten, durch Blut und Gewalt, wandelt unbeschadet und beschützt wie ein traumwandlerischer Narr, der verkrachte Poet Pierre Gringoire.

Die Entscheidung, den Glöckner, diese fantastische Moritat von Liebe, Monstern, Tod und Teufeln, als ein groteskes Spektakel mit Puppen zu spielen, ist ganz unmittelbar beeinflusst von Victor Hugo. Der hat, bei der Entwicklung seiner Romane, die Figuren oft in Zeichnungen skizziert – als ein Bestiarium von Masken, Fratzen und surrealen Gestalten, Goya verblüffend nahe. Die Dimension des Grotesken zieht sich durch Victor Hugos gesamtes Werk, wie eine Vision, die in das Dunkle fällt und den unbekannten inneren Kontinent des Menschen kurz aufleuchten lässt. Seinen wilden, nicht zu zivilisierenden Kern. Und Quasimodo, der Glöckner, ist der zu Leben gewordene Stein.

REGIE
BÜHNE
PUPPENBAU
MUSIK
REGIEASSISTENZ
ES SPIELEN

Ulrich Zaum
Jaime Olivares
Michel Klein
Martin Krähe
Cedric Henrichs
Michel Klein,
Klaus Krückemeyer,
Sebastian Muskalla

DER GLÖCKNER VON NOTRE DAME

VON ULRICH ZAUM NACH VICTOR HUGO – EINE KOPRODUKTION VON THEATER RAYO UND HESSISCHES STAATSTHEATER WIESBADEN.

Vielfalt und Expressivität der Puppen sowie das Bühnenbild sind spektakulär, aber der „Glöckner von Notre Dame“ ist bewusst als mobile Produktion konzipiert. Die Truppe ist in Aufbau und Technik autonom, die Kosten sind knapp kalkuliert, der finanzielle  Aufwand überschaubar.

Benötigt werden eine Raumhöhe von 3 Meter und eine Spielfläche von 7 x 7 Meter, besser 8 x 8 Meter. Preis auf Anfrage, ab der 2. Aufführung ist ein Nachlass von 20 % möglich.

TERMINE:

FREITAG, 30.8. 20 Uhr
SAMSTAG, 31.8 20 Uhr
Eintritt 12 € / 8 €
Gefördert vom Mittelhessischen Kultursommer 2019

KRITIKEN DER PRESSE

„Spiel der Dämonen“

Nein, sie möchte nicht sterben. Sie ist jung und schön und voller Leben. Sie bittet um Gnade. Doch ihr Henker ist hartnäckig. Er hält seine Hand geöffnet – geduldig, verständnisvoll, zärtlich beinahe und doch unbeirrt. Er wartet. Er hat Zeit. Sie dreht sich weg, sie hat Angst. Doch so lange sitzt der Henker neben ihr, bis sie schließlich ihren Kopf in seine geöffnete Hand legt: Sie fügt sich in ihr Schicksal. Sie muss sterben.

In einem der traurigsten Momente wird es sehr still in der kleinen Studiobühne des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden. Vorsichtig trägt Klaus Krückemeyer als Henker die schöne Esmeralda auf ausgebreiteten Armen fort, bis ihr weiß schimmerndes Kleid in der Dunkelheit verschwindet. Dass sie eine Puppe ist, hat man in diesem Moment schon längst vergessen. Denn beinahe alle Figuren in der als Kooperation mit dem Theater Rayo entstandenen Inszenierung werden von Puppen dargestellt. Michel Klein hat sie, angelehnt an die Zeichnungen von Victor Hugo, als groteske Wesen gestaltet, mit fratzenhaften Zügen einige von ihnen …
und von Michel Klein, Klaus Krückemeyer und Sebastian Muskalla werden sie zum Leben erweckt, ohne dass man die schwarz gekleideten Puppenführer noch als solche wahrnähme. Mit ihren hölzernen Figuren verschmelzen die wunderbaren Spieler zu einem Wesen, dem sie Stimme, Bewegung und Emotion verleihen. …

Wichtiger noch als die Geschichte von Liebe und Leidenschaft ist das irritierende Lebensgefühl, das Ulrich Zaum mit seiner Entscheidung, das Schauerdrama als groteskes Spektakel mit Puppen zu inszenieren, transportiert: Es steht für eine unsichere, mittelalterliche Welt, in der unheimlichen Gerüchten und Erzählungen von Teufeln, Geistern und Hexen mehr Glauben geschenkt wird als Tatsachen …

Wie gut, dass es trotz allem sehr viel zu lachen gibt: Weil zum Beispiel ein Hase mit Schellen am Ohr den Dichter Pierre Gringoire auf seine Fähigkeit als Taschendieb hin überprüft. Oder der Dichter von Hase, Wildschwein und einer Frau mit Vogelfüßen gehörig gepiesackt wird.

FAZ | 11.09.2018 | Katharina Deschka

„Bild – und sprachgewaltiger Ritt“

Höllenhunde und furchteinflößende Figuren prägen die Szenerie, in deren Zentrum ein Puppentheater steht: Ulrich Zaum hat Victor Hugos „Der Glöckner von Notre Dame“ für die Bühne eingerichtet, im Studio des Staatstheaters fand die Uraufführung der Kooperation mit dem Theater Rayo statt. Regie führt Ulrich Zaum selbst. Collagenartig werden die Handlungsstränge verknüpft, Schauspieler schlüpfen in ihre Rollen und spielen diverse Puppen. Entstanden ist ein bild- wie sprachgewaltiger Ritt durch Hugos Roman

Vielschichtige Impressionen
Momente wild grotesker Komik verdichten sich zu vielschichtigen Impressionen: Das Bühnenbild von Jaime Olivares sowie die von Michel Klein geschaffenen Puppen sind farbenprächtig, ausdrucksstark wie stilvoll – ganz von Illustrationen des 19. Jahrhunderts inspiriert. Herrliche Dialoge nehmen ihren Lauf ,… wohltuende Patina liegt über der Musik Martin Krähes; generell lebt die Inszenierung von einer kraftstrotzenden Urwüchsigkeit.

Alle Figuren, ob sie als Schauspieler oder Puppen daherkommen, wirken lebendig… alles in allem ist Zaums „Glöckner“ ein leichtfüßiger, durch Schauder beflügelnder Albtraum.

Wiesbadener Kurier

In der Ratte steckt ein böser Teufel

… mitreißende Passagen, die durch schiere Artistik im Umgang auch mit Nebenpuppen, durch Komik und Stimmkunst schlichtweg begeistern. … Selbst der Teufel hat einen Einsatz: als Puppen – Ratte. Ein echter Höhepunkt und eine wunderbar seelenverwandte Transposition vom Roman ins Puppen – Rotwelsch. Schön auch, wie der gequälte König Ludwig XI. mit seiner auffällig dicken Schmock- Nase und seinem lumperten, mordgierigen Helfer, Puppengestalt annimmt. Das Wiesbadener Staatstheater zeigt einen sehr gelungenen „Glöckner von Notre Dame“.

FNP. | 13.09.2018 | Marcus Hladek

Alle Fotos zum „Glöckner von Notre Dame“ von Christine Tritscher. Copyright: Hessisches Staatstheater Wiesbaden